SPRACHE IST MACHT
VERHANDLUNGEN IN RUSSLAND
Am Anfang war das Wort! Stellen Sie sich darauf ein, dass Ihre russischen Geschäftspartner (in Russland) auf Russisch verhandeln wollen, daher schadet es nicht einen sachkundigen Dolmetscher bei der Hand zu haben.
In Russland kann man davon ausgehen, dass viele Manager zwar englische Sprachkenntnisse haben, man sollte sich aber nicht nur darauf verlassen. So sprechen zwar die meisten jungen Russen Englisch, allerdings sind die älteren Geschäftspartner, die letzten Endes die Entscheidungen treffen, der Sprache nur selten mächtig. Obwohl es auch sein kann, dass Sie in Russland ältere Partner finden, die Deutsch können, ist es empfehlenswert, bei wichtigen Verhandlungen einen eigenen Dolmetscher, den man bereits kennt oder der einem von Dritten empfohlen worden ist, hinzuzuziehen.
Kenntnisse der englischen und deutschen Sprache sind in Metropolen wie Moskau oder St. Petersburg häufiger anzutreffen, in kleineren Städten oder auf dem Land hingegen kaum. In den mittelasiatischen Republiken sollte man generell davon ausgehen, dass Deutsch- oder Englischkenntnisse selten sind.
Zu Beginn einer Verhandlung geht es zunächst um alles andere als das eigentliche Verhandlungsobjekt: die Anreise, die Häufigkeit der Besuche in Russland und schließlich das persönliche Befinden.
Erwarten Sie auch nicht unbedingt einen „störungsfreien“ Verlauf: Ihr Gegenüber delegiert unter Umständen zwischendurch Tätigkeiten und entschuldigt sich wegen eines Telefonats. Handys sind während Besprechungen permanent in Betrieb und werden auch benutzt. Das ist keine Unhöflichkeit, sondern wird als „überlebensnotwendig“ angesehen, wenn es darum geht, mit Kollegen oder Geschäftspartnern aus weit entfernten Regionen (Zeitzonen!) in Kontakt zu treten. Zudem ist auch die russische Geschäftswelt extrem schnelllebig und erfordert Entscheidungen, die keine Aufschiebung erlauben.
Es ist üblich, dass gleich eine ganze Verhandlungsdelegation mit unterschiedlichen Funktionen auftritt, weswegen auch Sie sich von einigen fachkundigen Begleitern flankieren lassen sollten. Bei aller Herzlichkeit und Gastfreundschaft werden Sie bald feststellen, dass Ihre Geschäftspartner knallharte Verhandler sind. Um Ihnen Zugeständnisse abzuringen, ist nahezu jedes Mittel recht. Dazu gehören Strategien wie zeitliches Hinauszögern, Nachverhandeln oder auch impulsive Ausbrüche und spontane Verhandlungsabbrüche, zB indem jemand mit der Hand auf den Tisch schlägt, aufspringt und den Raum verlässt. Lassen Sie sich nicht beeindrucken oder zermürben! Zeigen Sie Geduld, bleiben Sie ausdauernd und bieten Sie nicht zu schnell Kompromisse an. Das könnte als Schwäche und Unzuverlässigkeit interpretiert werden. Zu einem Kompromiss zu gelangen, heisst auch nicht unbedingt, dass eine „gerechte“ Abwägung stattgefunden hat, sondern dass Ihre russischen Verhandlungspartner schon bei kleinen eigenen Zugeständnissen auf ein wesentlich größeres Entgegenkommen Ihrerseits warten (und für realistisch halten!). Planen Sie daher Ihre Strategie vorausschauend und behalten Sie noch immer etwas Spielraum in der Hinterhand.
Bei aller Härte in den Verhandlungen sollten Sie wie auch bei asiatischen Partnern darauf achten, dass Ihr Gegenüber das Gesicht nicht verliert: Das wäre ein nicht wieder gut zu machender Schaden. Überdenken Sie also gut, auch und gerade wenn Sie mit einem Dolmetscher arbeiten, wie Sie Ihre Botschaft formulieren. Nichts falsch machen können Sie, wenn Ihre Aussage mit einer wertschätzenden Bemerkung über den Vorschlag Ihres Gesprächspartners beginnt, bevor Sie einen Einwand anbringen.
Halten Sie Verhandlungsergebnisse und Teilschritte schriftlich fest. Mündliche Vereinbarungen zählen nicht viel. Wenig geschätzt wird auch ein Gebaren, das als Belehrung verstanden werden könnte. Das würde als westliche Arroganz interpretiert. Zudem sind Verhandlungen ein ernsthaftes Geschäft, weswegen eine „locker-flockige“ Art als unangebracht betrachtet wird.
Werden mehrtägige Verhandlungen für einen Vertragsabschluss angesetzt, so sollte davon ausgegangen werden, dass der Vertrag erst am letzten und nicht bereits am ersten Tag unterschrieben wird. Es ist dabei durchaus nicht unüblich, selbst bereits schon vorher schriftlich fixierte Punkte nochmals „nachzuverhandeln“. Die russische Seite wird erst einlenken und unterschreiben, wenn sie weiß, dass eine weitere Verzögerung nicht möglich ist und der Vertrag, wenn nicht heute, dann überhaupt nicht zustande kommt.
Geduld zu haben (und zu zeigen), ist in Russland eine große Tugend und wird sowohl bei Verhandlungen als auch im Alltagsleben ständig gefordert. Letztendlich werden Geschäfte in Russland nicht nur über Beziehungen geregelt, sondern die Qualität der Beziehung ist häufig auch ausschlaggebend für die Qualität (und die Zuverlässigkeit) des Geschäfts. Daher gilt es unbedingt, die persönliche Beziehung zu festigen. Kleine Gefälligkeiten werden dabei keineswegs als Bestechungsversuch verstanden, sondern sind durchaus üblich – und werden auch erwartet.